Bekränzt erwacht

Bekränzt erwacht
In wüstem Land
Gewandert
Verschoben
Schon morgen
Wird der Blick
Ein anderer sein
Doch auch
Verwischte Spuren
Haben einen Abdruck
Gesuchter Mund
Vertieft
Vergraben
In verzauberter
Vergänglichkeit
Belasse Dich
zum Schwur
mit Schweigsamkeit

Just in time I

1. Kennenlernen

Jacob und Soulis lernen sich auf einem Bauernhof kennen. Jacob wartet draußen auf dem Hof auf den Bauern. In einem Gatter sind die schnatternden Gänse. Soulis tritt zu ihm.

Soulis: Schon eine auserwählt?
Jacob etwas aus den Gedanken gerissen: Ich nehme, wies kommt.
Soulis: Ich möchte mein Opfer schon selbst aussuchen. – Die z.B. gefällt mir ganz gut.
Sie sollten das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Solange man wählen, kann ist noch nichts entschieden.
Jacob: Ich will einfach nur eine Gans.
Soulis: Und was passiert dann mit dem guten Stück?
Jacob: Ich habe mich noch nicht entschieden. Es ist für mich das erste mal, dass ich das selbst tun muss. Vorher wurde ich beglückt.
Ich bin neu hier. – Jacob.
Soulis: Jacob – Na dann lass uns das gemeinsam probieren. Unsere beiden Gänse kennen sich ja schon.

Umschnitt:
Soulis Atelierwohnung mit offener Küche. 2 Gänse sind im Ofen. Ein langer gedeckter Tisch steht im Raum.
Soulis: Wichtig ist zu wissen, was passiert wenn das Opfer merkt, dass es keine Chance mehr hat. Genau diesen Moment sollte man zumindest einmal mitempfunden haben. Erst dann weiß man, ob man zum Täter wirklich taugt. Sich der Tat und seiner Macht bewusst sein, gibt einem die Möglichkeit, seinen wahren Charakter und das eigene Limit zu entdecken. (Heute lässt man töten und sieht den eingeschweißten Kadaver im Kühlregal. Wenn es zu jedem Stück Fleisch das passende Video gäbe, in dem dieser Zeitpunkt dokumentiert wäre –) Vielleicht käme so mancher zu dem Entschluss, kein Täter zu sein. Denn genau dieser Moment, in dem das Opfer seiner Niederlage ins Auge sieht, ist auch der Moment, in dem der Täter entscheiden muss, ob er mit dieser Schuld und dieser Konsequenz leben kann.
Zünde schon mal die Kerzen an.
Soulis übergießt die Gänse abermals mit Flüssigkeit.
Soulis: Zumindest haben wir schon mal zwei gemeinsame Leichen im Keller.

2. Begegnung

Soulis steht in der Küche und schnippelt in großem Tempo. Man sieht im Raum eine aufgehängte Hängematte, die hin und her schaukelt. Die Person darin ist nicht zu sehen.
Soulis: Am Beginn einer Verhandlung – egal welcher – hat jeder die gleichen Chancen.
Wenn der eine glaubt er wäre im Vorteil, kann diese Überschätzung schon der Gewinn des anderen sein. Es ist also die absolute Leere, die uns weiterbringt. – Dann kommt es darauf an, wer von beiden schneller das Spiel spielt. – Dabei ist es wichtig, frühst möglich die Limits heraus zu finden. – Die eigenen und die des Mitspielers. Was nützt es, wenn der Gewinn meine eigenen Möglichkeiten übersteigt – ich also nach dem Gewinn kapitulieren muss. Andererseits schätze ich das Limit meines Mitspielers permanent zu hoch ein, werde ich nie gewinnen. Du musst also deinen Arsch gut pflegen, um ihn dir nicht zu verbrennen.
Hörst du mir überhaupt zu?
Jacob: Arsch pflegen.

3. Begegnung

Soulis schneidet Orangen auseinander.
Er hat einen abgeschrappten Bademantel an. Musik läuft – „Sag mir quando, sag mir wann“
Soulis quetscht sich eine halbe Orange in den Mund, wobei einiges daneben geht. Er tanzt durchs Atelier. Jacob räumt seine Sachen zusammen und zieht sich an.
Jacob: Ich muss jetzt los.
Soulis tanzt zu ihm hin. Plötzlich packt er ihn vorne am Hemd und drückt ihn gegen die Wand. Er steht dicht vor ihm.
Soulis: Wann?
Jacob: Dienstag?
Soulis lässt ihn los. Jacob schaut auf sein Hemd das jetzt voller Orangenflecken ist.
Jacob: Scheiß
Jacob geht in Richtung Tür.
Soulis aus dem Hintergrund: Deine Schuhe stehen übrigens auf dem Balkon.
Jacob geht auf den Balkon und greift fluchend seine vom Regen völlig durchnässten Schuhe.

Gefallene Engel

Ich suchte eine Seele, die mir ähnlich wäre und konnte sie nicht finden. Ich durchsuchte die verborgensten Winkel der Erde; meine Ausdauer war vergeblich. Allein konnte ich nicht bleiben. Ich brauchte jemanden, der ebenso dachte wie ich.

Dame der Schweigsamkeiten
Still und bedrängt,
wund und sehr heil,
Rose des Gedenkens,
Rose des Vergessens,
erschöpft und lebensspendend,
verstört und ruhevoll

Es war am Morgen; die Sonne erhob sich in ihrer ganzen Herrlichkeit am Horizont, da erhob sich auch vor meinen Augen ein Jüngling, unter dessen Schritten Blumen hervorsprossen. Er kam auf mich zu und reichte mir die Hand: „Ich bin zu Dir gekommen, da du mich suchst. Segnen wir diesen glücklichen Tag.“ Ich aber: „Geh fort; ich habe dich nicht gerufen; ich brauche deine Freundschaft nicht…“

Dame drei weiße Leoparden, unter dem Wacholderbaum gesessen,
In der Kühle des Tags, hatten sich satt gefressen.
An meinen Gliedern, meinem Herzen, meiner Leber und dem, das eh
Beschlossen lag in hohler Wölbung meines Haupts.

Es war am Abend; die Nacht begann, die Dunkelheit ihres Schleiers über die Natur auszubreiten. Eine schöne Frau, die ich nur undeutlich wahrnahm, breitete auch über mich ihren Zauberbann aus und sah mich teilnahmsvoll an; jedoch wagte sie nicht, mich anzusprechen. Ich sagte: „Tritt näher, damit ich die Züge deines Antlitzes deutlich erkenne;
denn das Licht der Sterne ist nicht stark genug, um sie aus solcher Entfernung zu erhellen.“

Wegen der Gutheit dieser Dame
Und wegen ihrer Lieblichkeit und wegen
Der Andacht, die sie der Jungfrau weiht,
Schimmern wir in Lichtheit. Und ich, der hier verholen liegt,
Weih meine Taten der Vergessenheit und meine Liebe
Dem Nachgeschlecht der Wüstenei, Aussaat der Kürbisfrucht.

Jetzt bewunderst du meine Schönheit, die manch eine verwirrt hat; aber früher oder später wirst du bereuen, mir deine Liebe geweiht zu haben; denn du kennst meine Seele nicht .

Die Dame hat sich entfernt
In einem lichten Kleid, zur Versenkung, in einem lichten Kleid.
Laß die Lichtheit des Gebeins der Vergessenheit genug tun.
Es ist in ihm kein Leben.

Nicht, dass ich dir je untreu würde: der Frau , die sich mir so vertrauensvoll hingibt, gebe ich mich ebenso vertrauensvoll hin; aber merke dir dies, um nie zu vergessen: Wölfe und Lämmer betrachten einander nicht mit sanften Augen.

Und Gott sprach Weissage in den Wind, nur in den Wind, denn nur
Der Wind wird lauschen.

Was aber brauchte ich dann, ich, der ich mit so heftigen Ekel von mir stieß, was die Menschheit Schönstes besaß!

Die Rose
Ist nun Garten,
Da alle Liebschaft endet,

Da kam sie bescheidenen Schrittes und die Augen gesenkt über das Gras des Rasens auf mich zu.

Wie ich vergessen bin
Und vergessen sein möchte, so möchte ich vergessen,
So zernichtet, so verdichtet in den Vorsatz.

Sobald ich sie sah. „Ich sehe, daß Güte und Gerechtigkeit in deinem Herzen
Ihren Wohnsitz haben: wir können nicht zusammen leben.“

Unterm Wacholderbaum sangen Gebeine, verstreut und schimmernd:
Wir sind froh, verstreut zu sein, wir taten einander wenig Gutes,
Unterm Baum in der Kühle des Tags, mit dem Segen des Sands,
Vergessen uns selbst und einander, vereint
Im Schweigen der Wüste.

– Zusammenstellung aus T.S. Elliot „Das wüste Land“ und Lautreamont „Die Gesänge des Maldoror“

Betrogen

Betrogen
Nicht ich spannte den Pfeil
Du bist betroffen
Nicht doch
Ohne Schuld
Deine schönen Auge spiegeln mein Gesicht
Deine Gesten schlagen sanft mein Herz
Du glaubst das Ziel betraf nur deine Seele
Weit gefehlt
Der Raum erfüllt von dir
Benebelt meine Sinne
Süß und klebrig
Wehmuts Last
Noch weißt du nicht
Dein Los viel leichter
Du Schöne
Zeit vergeht

Iris

Sie liebte es in der Sonne zu sitzen, ein letzter Schluck Weißwein in dem Glas mit langem Stil vor ihr. Zuviel für den Nachmittag, das wusste sie. Denn es öffnete sich wieder das Messer zwischen den wohlgeformten Bögen ihres Brustkorbes und schnitt sanft in den Tränenkanal, um das überschüssige Sekret zu befreien. Sie liebte es, den schon sehr kleinen Eiswürfel im letzten Schluck Wein zu beobachten, wie er sich mehr und mehr auflöste.
Seid sie das Rauchen aufgegben hatte, waren ihre Hände noch suchender geworden.
Kleine Tierchen, die ohne Ziel ihre Umgebung betasteten.
Noch war sein Geruch zu erahnen. –
Fast ziellos griff sie nach dem dicken Telefonbuch. Mit ihm wollte sie auch ihre Gewohnheiten ändern. Fast hat sie schon seinen Namen vergessen.
Als gäbe es geheime Zeichen, die nur mit den Fingerkuppen zu dekodieren wären, nahm sie
jede dünne Seite, die sie umblätterte, zwischen Zeigefinger und Daumen.
Außer dem Stuhl, den er vor einem Jahr in Italien vom Sperrmüll gerettet und für dessen
Sitzfläche er keine Mühen gescheut hatte, um sie zu heilen, hatte er nichts mitgenommen.
„Ja – Gerber“
Wie jedes Mal brauchte sie einen kleinen Moment ihre Stimme zu finden.
„Herr Gerber? Entschuldigen sie die Störung haben sie einen Moment?“
„ Um was geht es?“
„ Also – ich wollte ihnen ein paar Fragen stellen“
„Madam fassen sie sich kurz ich bin gerade auf dem Sprung“
„Genau darum geht es – wohin reist man in dieser Jahreszeit?“
„Keine Ahnung – ich fahre jedenfalls nach Lodz – aber bestimmt nicht freiwillig.“
„Nicht freiwillig – das ist gut. Ich danke ihnen.“
Es gab also noch jemanden da draußen, jemand der nach Lodz reiste – unfreiwillig.
Sie war damals fast etwas eifersüchtig gewesen, auf den Stuhl der mit soviel Fürsorge und Aufmerksamkeit von ihm bedacht wurde. – Jetzt waren beide weg.
Wie gut, dass es Telefonbücher gab, so wählte sie sich mit einer fremden Stimme den Weg für das Kommende.
Der Gedanke, allein auf der Welt zu sein, überkam sie meist unerwartet, die Starre löste sich erst, wenn sie die Stimme am anderen Ende hörte.

Jedes mal brauchte sie einen Moment, ihre Stimme zu finden. – Jedes mal war sie erleichtert, dass es am anderen Ende eine Stimme gab. Jedes mal überkam sie der Gedanke, alleine auf der Welt zu sein, unerwartet.
Der Herr hatte nicht viel Interesse, sich in ein Gespräch mit ihr verwickeln zu lassen.
Dennoch konnte sie ihm entlocken, dass er auf dem Sprung war.
Er hatte eine Reise vor sich. – Eine unfreiwillige Reise nach Lodz.
Sie war damals fast eifersüchtig gewesen, auf den Stuhl der mit soviel Fürsorge und Aufmerksamkeit von ihm bedacht wurde. – Jetzt waren beide weg.
Es gab also jemanden da draußen, jemand der nach Lodz reiste – unfreiwillig.
Das letzte Stück Eis hatte sich ergeben. Sie stand am Fenster und schaute in die Sonne.

Mon cœur

Welch kühnes Treiben
Hat uns
In tiefes Meer gestürzt
Beäuge bunte Fische
Die kleine Fetzen
Meiner Haut verschlingen
Nur rohes Fleisch
Noch bleibt
Mit weichen Wellen
Wird nun unser Leib
Umspült
Es ist so tief
Bei Dir
Das weder
Tag noch Nacht vergeht
Versunknes Schiff
Getier
Durch meine Reste schwimmt
Und jede Öffnung
Eintritt gibt

Dein Herz

Dein Herz
So schwer
Begräbt
Was leicht noch
Gestern
Heimat fand
Ich sehe
Ohne Furcht
Doch hartes Wort
Liegt auf den Lippen
Beschleunigung
Und Abgesang
Drum hebe an
Die Hoffnung
Wagt
Verborgne Kraft

Noch nicht bereit

Noch nicht bereit
Euch beide zu vereinen
Betrachte ich
Der Zukunfts Zeichen
Im Schutz
Des ungeliebten Bruders
Vermag ich
Dein Gesicht zu sehen
Du kamst im Traum
Und bliebst
Zum einen
Deines Bruders Kraft
Zum andren
Welker Schein
Noch seh ich euch
Und ihr nicht mich
Betrachte meine Ahnung

Sprache ein Land indem ein jeder einsam ist

Sprache ein Land indem ein jeder einsam ist
Zu viele Zeichen sind Pfeile ohne Ziel
Sie treffen dennoch
Man forscht man glaubt verstand versagt
Lange brauchts vom Mund zum Ohr
Ins Herz
Schweigen ungesprochne Gesten
Wie schön dein Blick – soviel
genügt

Keines der Worte ist mehr da

Keines der Worte ist mehr da
verschwunden
es waren Kathedralen, Monumente
ich wanderte sah die Farben, spürte die Form und war sicher
niemals würde vergehen
uns zu sehen
im zurück gibt es nichts
kein Wort
im gehen nach vorne
verschwunden

Was als kostbar bewahrt
geraubt
Gesicht und Körper als einzig erkannt
geglaubt
wende mich ab
beraubt
von einem Teil von mir

Betagt

Betagt
Noch nicht erfroren
Schlummert er
Der Zweifel folgt
Verzagte Flucht
Unbekannte Sehnsucht
Füttert diesen Wunsch
Hielt ich Dich in meinem Arm
Könnte ich verweilen

Denken sie

Denken sie
Auch manchmal
An mich
Beschaulichkeit
Setzt Triebe
Gedanken
Von der Zeit
Entkoppelt
Ihr Mund
Soweit
Gar manchmal
Scheu ich
Ihren Blick
Da ihre Hand
Auf meiner liegt
Bedacht
Setz ich den Fuß
Als könnte ich
Entkommen
Nur scheinbar
Weiche ich
Dem Sog
Möchte kraftvoll
Mich ergeben

Es ist so ruhig

Es ist so ruhig
Um uns
Gewichen alle Kraft
Verstummt der Schrei
Der aufbegehrt
Eng umschlungen
Möchte ich halten
Was jede Angst
Zersprengt
Die Trauer
Deiner Augen
So ohne Hoffnung
Liebe ist
Bewahre dich
Für jede Zeit
Vertrautheit
Gütig uns vereint