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Sprache ein Land indem ein jeder einsam ist
Sprache ein Land indem ein jeder einsam ist
Zu viele Zeichen sind Pfeile ohne Ziel
Sie treffen dennoch
Man forscht man glaubt verstand versagt
Lange brauchts vom Mund zum Ohr
Ins Herz
Schweigen ungesprochne Gesten
Wie schön dein Blick – soviel
genügt
Ich bin aufgewacht
Ich bin aufgewacht.
Hörst du.
Es gibt uns nicht mehr
Lass los
Drehe dich erst um wenn meine Schritte verhalt sind
Wie gerne gäbe ich dir ein paar schöne Erinnerungen mit auf den Weg
Doch die Dauer des Schmerzes hat so vieles verschlissen.
Wenn ich dir jetzt sagte ich liebe dich
Du würdest mich falsch verstehen
Gebe dich frei
Zu lange hat das wir beschwert
Es ist Zeit
Gestern noch
Gestern noch
Ertrug ich Deine unverholene Selbstgier
Vertraut beschwingte mich die Lust
Doch heute
Betrachte stumm
Was Tags zuvor
Wie Klebstoff zäh
Als Bindung galt
Doch heute
Betrunken möchte ich sein
Taumelnd auf dem Sofa landen
Willenlos nach morgen schreien
Ohne Sinn
Doch heute
Schlage meinen Kopf entzwei
Schleudre meinen Körper
Hin
Wo ich ihn suchen muß
Entreiß mich jetzt
Doch heute
Ist es Feigheit
Tiefes nichts
Oder ist mein Wunsch
Wo anders schon erfüllt
Gestern war
Heute ist
Und morgen wird sich zeigen
Hätte ich mich meiner Hand befreit
Hätte ich mich meiner Hand befreit, müsste ich nicht deine Füßchen wärmen. Ein Schein zersetzt mein Herz, dein Schein ermüdet meine Seele. Nie warst du ein Teil von mir, du warst ein Teil in mir. Ein Lied schwimmt durch meine Adern, dein Gesang vergiftet mein Rot. Ohne Hoffnung bitte ich um Vergebung um meine eigene Gnade.
Lied:
Wärst du ein Teil von mir
Wärst mein Gesang
Trög meine Seel dich fort
Wärst niemals bang
Und nur ein Stückchen Trost
Gäb mein Herz ganz

Du stehst im Wort
Du stehst im Wort
Vereinsamt
Vergessen
Glaubst Du
Frei zu sein
Doch trügt Dich
Dieser Schein
Umgrenzt nur
Kann das nichts
Befreit
Unendlichkeit
Erschaffen
Verweht
Der Tritt
Den Du verlassen
Nur vager Dunst
Das Ziel
umschreibt
Abbilder
Rita
Der harte Gummistöpsel war wie immer tückisch. – Nie wusste man genau, ob er das Wasser hindurch ließ. – So war es besser, den Stand genau zu beobachten um eine ungewollte Durchlässigkeit zu verhindern.
Das laute Einfließen des Wassers, dass von der Resonanz der befliesten Wände noch verstärkt wurde, war wie ein akustischer Coucon, dessen Präsenz das Gehirn ausschaltete.
Gewissenhaft prüfte Rita die Temperatur. – Keinesfalls durfte es zu kalt sein, dann doch lieber leicht verzweifelt den Schmerz des heißen Wassers ertragen bis der Körper selbst sich an diese Situation gewöhnt hatte.
Rita trug heute den türkis geblümten Bikini, der zwar ihre leichte Blässe unterstrich, aber so
wunderbar zu den zartgrünen Fliesen passte.
Jedes mal aufs Neue war der Moment, an dem der Wasserspiegel die Nabelgrenze passierte, eine Offenbarung. – Einzutauchen.
Sie wusste, es war an der Zeit eine Entscheidung zu treffen, doch wie kann man eine solchen
Moment der vollkommen Hingabe durch Konkretion zerstören. Mit geschlossenen Augen ließ sie, durch kaum merkliche Bewegungen, Wellen entstehen, die sich liebevoll an ihrem Hals brachen.
Allmählich schleicht sich die Angst ein. – Die Vorahnung, wie es sein wird, wenn das Wasser sinkt und am Körper die Kälte zurücklässt. Dieses Wissen drückte sich von Mal zu Mal schneller ins Bewusstsein und verkürzte tragisch die Zeit des Genusses.
Das provokante Rülpsen, wenn der letzte Rest im Loch verschwindet und die schrumpelige Haut durch eiskaltes Wasser abgeschreckt wird.
In diesen Momenten ersehnte sich Rita jeweils, ein fürsorglicher Beschützer hielte, aus dem Nichts kommend ein vorgewärmtes leicht raues Badetuch bereit und umhüllte sie, bevor sie in die Realität zurück kam.
Manchmal überlegte sie, wie dieser Ritter aussehen könnte und hoffte insgeheim, durch ein
solches Zeichen eine Möglichkeit für eine mögliche Entscheidung für sich zu entdecken.
Warum war es an ihr zu bestimmen was geschieht, warum konnte das Leben nicht unerwartet eine vergessene Tür öffnen. – Wie man verzweifelt am Automaten an der U- Bahnhaltestelle steht und feststellt, dass man sein Geld zuhause hat liegen lassen. Plötzlich bemerkt man das Loch in der Manteltasche und als man tiefer greift findet man drei Euro die sich im Futter verfangen haben.
Ein kleiner akrobatischer Akt, den Plastikverschluss zum Klicken zu bringen. Auch nach dem Öffnen mag sich das nasse Körbchen kaum vom Busen trennen.
Mit aller Kraft presste Rita das Wasser aus dem Stoff, ein Würgevorgang der sie wieder an ihre eigentliche Wut erinnerte.
Je mehr sie diese Rituale hasste desto mehr wurden sie unvermeidliche Gewohnheit.
Musik. – Er war zurück. Sie war noch nicht bereit.
Mit beiden Armen griff sie in den mit schon trockener Wäsche gefüllten Wäschetrockner.
Die Waschschüssel hatte sie draußen stehen lassen. – Also war die Badewanne die einzige Möglichkeit. Auf dem kurzen Weg von Trommel zur Wanne waren zwei Socken und ein Waschlappen abhanden gekommen. – Langsam ging Rita in die Knie. – Nach einigen Minuten legte sie den türkisfarbenen Bikini in die freigewordene Trommel und konnte erst wieder aufatmen, als das Geräusch des Trockners sie von draußen abschirmte.
Es ist lange her, dass sie es ertrug, Geräusche mit ihm, in einem Raum, zu hören. – Dabei kam es nicht darauf an, ob er, sie oder etwas anderes dieses Geräusch verursachten.
Alleine die Tatsache, gemeinsam wahrnehmen zu müssen, brachte ihr Herz zum Rasen und
ließ sie zu unkontrollierten Wutausbrüchen hinreißen. – Das Absurde war nur, wenn er nicht da war, umgab sie die Stille wie kalter Schweiß.
Tag für Tag suchte sie nach dem Fehler. – Irgendetwas musste sie übersehen haben.
Doch je mehr sie dachte je mehr zersetze sich ihr Wille zu handeln.
Wenn er ihre Hand nahm um sie zurück zu ziehen, spürte sie seine Hilflosigkeit und ihre ungerechte Wut gab ihm keine Chance.
Manchmal war es gerade sein Verständnis, dass die Situation unkontrollierbar werden ließ.
Manchmal seine demonstrative Konkretion seiner Gesten und Handlungen.
Vielleicht war es besser gänzlich ins Badezimmer zu ziehen und erst wenn auch die letzte
Schwingung seiner Bewegungen verklungen sind, nach draußen zu kommen.
Ich liebe ihn. – Doch es ist, als hätte man gerade eine Allergie gegen etwas was man besonders mag und ohne das man sich sein Leben kaum vorstellen kann.
Immer wenn sie entschlossen den Trockner abstellte, war sie sich sicher, dass sie eine Entscheidung getroffen hätte, doch sobald sie die Tür entriegelt und nach draußen trat hatte sie die getroffene Entscheidung vergessen und überlegte während sie ihn umarmte wie sie doch gewesen war. – Aber sie war ihr entfallen.
Duxius – Daredevil
Konzeption, Regie, Choreografie für das Video „Daredevil“ von Duxius.
Du wolltest aufhören das zu machen
Du wolltest aufhören das zu machen
Ja ich wollte aufhören damit
Wie geht es dir
Ich weiß nicht
Natürlich weißt du
Es ist gerade nicht der richtige Zeitpunkt
Was heißt das
Mach dir keine Gedanken
Mach ich aber
Ich bin einfach verwirrt
Du musst nicht stark sein
Will ich aber
Du stehst am Abgrund du kannst jetzt nicht noch alles Mögliche ausprobieren
Ja ich glaube ich fühl mich komisch
Mach dir doch nicht selbst so einen Druck
Ich hab keine Ahnung – ich finde einfach keine Lösung
Du musst nichts lösen alles was du machst ist richtig
Ich schaff das nicht
Du musst nichts schaffen
Ich suche ja
Nein du suchst nicht
Doch wirklich ich suche aber hab noch niemanden gefunden
Wenn du wirklich suchst wirst du auch finden
Es ist besser wenn ich gehe
Warum läufst du davon
Ich mag dich sehr
Jetzt machst du dirs aber richtig einfach
Was auch immer das heißt
Kommst du wieder
Ich glaube nicht – nein ich komme nicht wieder
Kannst du nicht einmal normal ins Bett gehen, normal schlafen und normal aufwachen
Ich hab doch schon viel verändert
Du sollst nicht alles auf einmal machen, nimm dir mal das was du möchtest
Is da noch was von der Schokolade im Kühlschrank
Bekränzt erwacht
Bekränzt erwacht
In wüstem Land
Gewandert
Verschoben
Schon morgen
Wird der Blick
Ein anderer sein
Doch auch
Verwischte Spuren
Haben einen Abdruck
Gesuchter Mund
Vertieft
Vergraben
In verzauberter
Vergänglichkeit
Belasse Dich
zum Schwur
mit Schweigsamkeit
Narziss
Narziss
Zwei Lieben
Traut im Spiel
Doch ängstlich
Mutlos
Worte kaum entstehen
Fast wie Geschwister
Gibt man sich
Dem Treiben hin
Doch Augen
Sind geschlossen
Nicht Feuer
Pure Gier
Bezwingt
Was ungesehen
Sich reibend
Lust zu eigen macht
Iris
Sie liebte es in der Sonne zu sitzen, ein letzter Schluck Weißwein in dem Glas mit langem Stil vor ihr. Zuviel für den Nachmittag, das wusste sie. Denn es öffnete sich wieder das Messer zwischen den wohlgeformten Bögen ihres Brustkorbes und schnitt sanft in den Tränenkanal, um das überschüssige Sekret zu befreien. Sie liebte es, den schon sehr kleinen Eiswürfel im letzten Schluck Wein zu beobachten, wie er sich mehr und mehr auflöste.
Seid sie das Rauchen aufgegben hatte, waren ihre Hände noch suchender geworden.
Kleine Tierchen, die ohne Ziel ihre Umgebung betasteten.
Noch war sein Geruch zu erahnen. –
Fast ziellos griff sie nach dem dicken Telefonbuch. Mit ihm wollte sie auch ihre Gewohnheiten ändern. Fast hat sie schon seinen Namen vergessen.
Als gäbe es geheime Zeichen, die nur mit den Fingerkuppen zu dekodieren wären, nahm sie
jede dünne Seite, die sie umblätterte, zwischen Zeigefinger und Daumen.
Außer dem Stuhl, den er vor einem Jahr in Italien vom Sperrmüll gerettet und für dessen
Sitzfläche er keine Mühen gescheut hatte, um sie zu heilen, hatte er nichts mitgenommen.
„Ja – Gerber“
Wie jedes Mal brauchte sie einen kleinen Moment ihre Stimme zu finden.
„Herr Gerber? Entschuldigen sie die Störung haben sie einen Moment?“
„ Um was geht es?“
„ Also – ich wollte ihnen ein paar Fragen stellen“
„Madam fassen sie sich kurz ich bin gerade auf dem Sprung“
„Genau darum geht es – wohin reist man in dieser Jahreszeit?“
„Keine Ahnung – ich fahre jedenfalls nach Lodz – aber bestimmt nicht freiwillig.“
„Nicht freiwillig – das ist gut. Ich danke ihnen.“
Es gab also noch jemanden da draußen, jemand der nach Lodz reiste – unfreiwillig.
Sie war damals fast etwas eifersüchtig gewesen, auf den Stuhl der mit soviel Fürsorge und Aufmerksamkeit von ihm bedacht wurde. – Jetzt waren beide weg.
Wie gut, dass es Telefonbücher gab, so wählte sie sich mit einer fremden Stimme den Weg für das Kommende.
Der Gedanke, allein auf der Welt zu sein, überkam sie meist unerwartet, die Starre löste sich erst, wenn sie die Stimme am anderen Ende hörte.
Jedes mal brauchte sie einen Moment, ihre Stimme zu finden. – Jedes mal war sie erleichtert, dass es am anderen Ende eine Stimme gab. Jedes mal überkam sie der Gedanke, alleine auf der Welt zu sein, unerwartet.
Der Herr hatte nicht viel Interesse, sich in ein Gespräch mit ihr verwickeln zu lassen.
Dennoch konnte sie ihm entlocken, dass er auf dem Sprung war.
Er hatte eine Reise vor sich. – Eine unfreiwillige Reise nach Lodz.
Sie war damals fast eifersüchtig gewesen, auf den Stuhl der mit soviel Fürsorge und Aufmerksamkeit von ihm bedacht wurde. – Jetzt waren beide weg.
Es gab also jemanden da draußen, jemand der nach Lodz reiste – unfreiwillig.
Das letzte Stück Eis hatte sich ergeben. Sie stand am Fenster und schaute in die Sonne.
Just in time I
1. Kennenlernen
Jacob und Soulis lernen sich auf einem Bauernhof kennen. Jacob wartet draußen auf dem Hof auf den Bauern. In einem Gatter sind die schnatternden Gänse. Soulis tritt zu ihm.
Soulis: Schon eine auserwählt?
Jacob etwas aus den Gedanken gerissen: Ich nehme, wies kommt.
Soulis: Ich möchte mein Opfer schon selbst aussuchen. – Die z.B. gefällt mir ganz gut.
Sie sollten das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Solange man wählen, kann ist noch nichts entschieden.
Jacob: Ich will einfach nur eine Gans.
Soulis: Und was passiert dann mit dem guten Stück?
Jacob: Ich habe mich noch nicht entschieden. Es ist für mich das erste mal, dass ich das selbst tun muss. Vorher wurde ich beglückt.
Ich bin neu hier. – Jacob.
Soulis: Jacob – Na dann lass uns das gemeinsam probieren. Unsere beiden Gänse kennen sich ja schon.
Umschnitt:
Soulis Atelierwohnung mit offener Küche. 2 Gänse sind im Ofen. Ein langer gedeckter Tisch steht im Raum.
Soulis: Wichtig ist zu wissen, was passiert wenn das Opfer merkt, dass es keine Chance mehr hat. Genau diesen Moment sollte man zumindest einmal mitempfunden haben. Erst dann weiß man, ob man zum Täter wirklich taugt. Sich der Tat und seiner Macht bewusst sein, gibt einem die Möglichkeit, seinen wahren Charakter und das eigene Limit zu entdecken. (Heute lässt man töten und sieht den eingeschweißten Kadaver im Kühlregal. Wenn es zu jedem Stück Fleisch das passende Video gäbe, in dem dieser Zeitpunkt dokumentiert wäre –) Vielleicht käme so mancher zu dem Entschluss, kein Täter zu sein. Denn genau dieser Moment, in dem das Opfer seiner Niederlage ins Auge sieht, ist auch der Moment, in dem der Täter entscheiden muss, ob er mit dieser Schuld und dieser Konsequenz leben kann.
Zünde schon mal die Kerzen an.
Soulis übergießt die Gänse abermals mit Flüssigkeit.
Soulis: Zumindest haben wir schon mal zwei gemeinsame Leichen im Keller.
2. Begegnung
Soulis steht in der Küche und schnippelt in großem Tempo. Man sieht im Raum eine aufgehängte Hängematte, die hin und her schaukelt. Die Person darin ist nicht zu sehen.
Soulis: Am Beginn einer Verhandlung – egal welcher – hat jeder die gleichen Chancen.
Wenn der eine glaubt er wäre im Vorteil, kann diese Überschätzung schon der Gewinn des anderen sein. Es ist also die absolute Leere, die uns weiterbringt. – Dann kommt es darauf an, wer von beiden schneller das Spiel spielt. – Dabei ist es wichtig, frühst möglich die Limits heraus zu finden. – Die eigenen und die des Mitspielers. Was nützt es, wenn der Gewinn meine eigenen Möglichkeiten übersteigt – ich also nach dem Gewinn kapitulieren muss. Andererseits schätze ich das Limit meines Mitspielers permanent zu hoch ein, werde ich nie gewinnen. Du musst also deinen Arsch gut pflegen, um ihn dir nicht zu verbrennen.
Hörst du mir überhaupt zu?
Jacob: Arsch pflegen.
3. Begegnung
Soulis schneidet Orangen auseinander.
Er hat einen abgeschrappten Bademantel an. Musik läuft – „Sag mir quando, sag mir wann“
Soulis quetscht sich eine halbe Orange in den Mund, wobei einiges daneben geht. Er tanzt durchs Atelier. Jacob räumt seine Sachen zusammen und zieht sich an.
Jacob: Ich muss jetzt los.
Soulis tanzt zu ihm hin. Plötzlich packt er ihn vorne am Hemd und drückt ihn gegen die Wand. Er steht dicht vor ihm.
Soulis: Wann?
Jacob: Dienstag?
Soulis lässt ihn los. Jacob schaut auf sein Hemd das jetzt voller Orangenflecken ist.
Jacob: Scheiß
Jacob geht in Richtung Tür.
Soulis aus dem Hintergrund: Deine Schuhe stehen übrigens auf dem Balkon.
Jacob geht auf den Balkon und greift fluchend seine vom Regen völlig durchnässten Schuhe.
Mon cœur
Welch kühnes Treiben
Hat uns
In tiefes Meer gestürzt
Beäuge bunte Fische
Die kleine Fetzen
Meiner Haut verschlingen
Nur rohes Fleisch
Noch bleibt
Mit weichen Wellen
Wird nun unser Leib
Umspült
Es ist so tief
Bei Dir
Das weder
Tag noch Nacht vergeht
Versunknes Schiff
Getier
Durch meine Reste schwimmt
Und jede Öffnung
Eintritt gibt
Betagt
Betagt
Noch nicht erfroren
Schlummert er
Der Zweifel folgt
Verzagte Flucht
Unbekannte Sehnsucht
Füttert diesen Wunsch
Hielt ich Dich in meinem Arm
Könnte ich verweilen
In der Nacht wird der Mund trocken
In der Nacht wird der Mund trocken. Ich liege wach und überlege ob ich trinken soll.
Dein Atem ist flach. Immer wieder überfällt mich die Angst du könntest aufhören, dich davonstehlen. Wie ein Dieb der glaubt genug erbeutet zu haben.
Die nächtliche Einsamkeit ist eine andere als die am Tage. Bedrohlicher, entgültiger.
Es ist absurd, den ganzen Tag ersehne ich den Abend. Ist er da so möchte ich mich betäuben, um die kommende Nacht zu überleben. Wie zwei Selbstmörder wollen wir die Schuld unseres Leids dem anderen abtrotzen. Der Wein seziert sarkastisch unser Hirn und wir rasen ungebremst in ungewollte Feindschaft.
Eine zwei Liter Flasche Wasser steht neben meinem Bett und ich bin unfähig sie zu greifen.
Als wäre ich so geschwächt, dass der Körper seinen Willen verloren hat.
Ich weiß wie sehr ich dich mal für mal verletze. Spüre deine Verzweiflung wenn ich dir keine Chance belasse zu mir zu dringen. Du möchtest mich schütteln mir wehtun um wenigstens meine Hülle zu erreichen. Stumm schreie ich dir zu – gib auf. – Doch nur du weißt ich lüge.
Fall – Beispiel
Enno sitzt vor seinem Leberwurstbrot und dem lauwarmen Kakao auf dem sich eine Haut gebildet hat.
Fast unbewusst greift sich Enno zwischen die Beine, wenn er die zusammengezogene Milch mit einem kleinen Löffel von der Flüssigkeit trennt.
Sie hatte nicht mitbekommen, dass er bereits 13 war, seine Vorlieben und sein Körper sich verändert haben. Für sie wird er wohl noch immer der Junge sein, der, wenn er schlecht geträumt hat, ins Bett gemacht hat und sich damit rausredet, er hätte diese Nacht so sehr geschwitzt. Sie wusste nicht, dass er an manchen Tagen keine Farben sehen konnte und der einzige Freund nachts, sein noch lebender Teil zwischen den Beinen war.
Er wusste, auch sie war einsam und daher wollte er sie nicht auch noch enttäuschen.
Mit geschlossenen Augen biss er in das Brot, über dessen Rand niemals Wurst ragte und schluckte das Stück ohne zu kauen mit einem großen Schluck Kakao hinunter.
Auf dem Jungsklo
Reno: Wollen wir Unterhosen tauschen? – Hätte gerne den Geruch von deinem an meinem.
Enno: Ich bin nicht schwul.
Reno: Woher willst du das denn wissen, außer dir selbst hats ja wohl noch keiner mit dir getrieben.
Enno: Warum fragst du mich? – Piet hat bestimmt ne Hose von Boss und lässt auch noch ein bisschen was zum lecken drin.
Reno: Deiner gefällt mir besser. – Laß mich mal riechen, ich bin Experte.
Enno: Fass mich bloß nicht an, sonst hau ich Dir eins in die Eier, dann kannst du die Zelte deiner Oma nehmen.
Reno: Bleib geschmeidig Kleiner. – Ich bin auch nicht schwul, aber zum spielen hätt ich trotzdem Lust. – Ruf mich an.
Enno hatte gehofft, sie würde sich ändern. – Jetzt waren sie schon mehr als ein Jahr von ihm weg und sie saß immer noch bis morgens um drei vor dem Fernseher, in ihre Polardecke gehüllt und schlief. Dabei sah ihr Körper fast aus, als hätte sie Magenschmerzen.
Wenn er unerwartet nach Hause kam, stand sie vor dem Fenster und sah nach draußen.
Am liebsten hätte er für sie geschrien, stattdessen machte er nur den Kühlschrank auf, nahm sich eine Cola und ging, Langeweile demonstrierend, auf sein Zimmer.
In diesen Momenten hasste er sie für ihre Schwäche. – Warum nahm sie ihn nicht wahr, er würde alles tun, nur um einmal von ihr gesehen zu werden.
Das Gespräch mit Reno hatte ihn vollends aus der Bahn geworfen. – Wenn er jetzt auch noch schwul wäre. Zusammengekrümmt lag er auf seinem Bett und versuchte dem Drang zu wiederstehen, wenn er jetzt stark sein kann dann würde alles gut werden, er durfte nur nicht schwach werden. Sie brauchte ihn, ob er wollte oder nicht.
